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Berufsbild Tierarzt

- Verherrlichungen und Vorurteile

Mal zugegeben… wer wollte in seiner Kindheit nicht alles Tierarzt oder Tierärztin werden oder wessen Kind träumt nicht auch davon? Sehr oft hören wir während der Sprechstunde wie ein Elternteil zum Kind sagt „Guck gut zu, du willst doch später auch mal Tierarzt/Tierärztin werden“. Und gleichzeitig werden wir oftmals mit Verherrlichungen sowie Vorurteilen konfrontiert, wie beispielsweise: „Den ganzen Tag Tiere streicheln, das stelle ich mir auch schön vor.“ oder „Oh, aber Tiere einschläfern, das könnte ich nicht.“ Doch was genau hat es nun eigentlich mit dem Beruf auf sich, ist er wirklich so schön oder gar so traurig, wie viele denken?

In der Tat ist der Beruf vermutlich viel komplexer als die meisten denken. Weder streichelt man ausschließlich den ganzen Tag Tiere, noch ist man zwingend jeden Tag mit dem Lebensende konfrontiert. Dazwischen gibt es eine ganze Menge anderer Variablen. Aber das haben sich die meisten vielleicht auch schon von alleine gedacht.😄

Was viele nicht wissen, zunächst muss man 5,5 Jahre Studium hinter sich bringen, bevor man fertiger Tierarzt ist. Das Studium ist sehr theoretisch und nicht bereits wegweisend für eine spezifische Tierart, auf die man sich nachher fokussieren will. Man lernt gleichermaßen alle Tiergruppen, also Großtiere, Kleintiere, Heimtiere und Pferde. Am Ende des Studiums entscheiden sich die meisten dann für lediglich eine dieser Gruppierungen. Wenn man sich also wie in unserem Fall auf Klein- und Heimtiere festgelegt hat, muss man dann noch für sich entscheiden, ob man in einer Praxis oder einer Klinik arbeiten möchte. Beides hat seine Vor- und Nachteile. Ab hier beginnt dann der praktische Teil und man kann sein Wissen endlich anwenden.

Wie also sieht der Alltag eines Tierarztes aus?

Können wir den ganzen Tag Tiere streicheln? Klar, irgendwie schon. Das gehört ja auch dazu. Es ist sehr wichtig, dass wir einfühlsam mit den Tieren umgehen, sonst könnten wir keine Untersuchung durchführen. Man braucht aber auch das nötige Feingefühl, um zu erkennen, wann man ein Tier lieber in Ruhe lassen und sich nur auf die nötigsten Handgriffe beschränken sollte, weil es einfach zu sehr gestresst ist. Das alles ist aber etwas, was bei einem Tierarzt sozusagen „im Off“ abläuft, das ist für uns Routine. Vordergründig fokussieren wir uns auf das medizinische Problem und somit auf die Untersuchung. Wir versuchen stets lösungsorientiert zu arbeiten - wenn wir beispielsweise ein ängstliches Tier haben, sollten wir vorher abschätzen, welches Equipment wir benötigen, um den Untersuchungsgang und die Behandlung möglichst kurz zu halten. 

Neben der Behandlung des Tieres ist die Kommunikation mit dem Tierbesitzer von höchster Wichtigkeit, denn ohne ihr Vertrauen und auch ihre Zustimmung zur Behandlung, kämen wir nicht weit. Bei vielen Behandlungen handelt es sich um einen einmaligen Besuch, bei dem das Problem sofort behoben werden kann - z.B. wenn eine Kralle angerissen ist und wir das lockere Krallenstück entfernen - Thema bestenfalls erledigt. Komplizierter gestaltet sich die Thematik bei komplexen internistischen Erkrankungen und gar lebensbedrohlichen Zuständen, die beispielsweise eine Operation nach sich ziehen. Hier muss man also nicht nur auf Seiten des Tieres Einfühlungsvermögen beweisen, sondern auch dem Besitzer die nötige Sicherheit vermitteln.

Gleichzeitig muss man sich fachlich mit jedem Fall individuell auseinandersetzen und genau hierbei ist ein ganz schönes Repertoire von Nöten. Denn wie eingangs erwähnt, haben wir nicht nur eine Tierart, die wir behandeln, sondern mehrere. 

Zu den Kleintieren gehören Hund und Katze und dann kommen noch Tierarten wie Meerschweinchen, Kaninchen, Hamster, Degu, Ratten, Mäuse & Co. in Form der Heimtiere hinzu. Und jede Spezies hat ihre ganz eigenen Krankheitsbilder. Manche Krankheiten sind ähnlich, andere gänzlich unterschiedlich. Darüber hinaus ist man Zahnarzt, Frauenarzt, Augenarzt, usw. alles in einer Person. Man kann sich übrigens nach dem Studium auch weiterbilden, z.B. zum Fachtierarzt für Klein- und Heimtiere oder eine Zusatzbezeichnung zum Tierarzt für Zahnheilkunde, machen. Definitiv aber empfiehlt es sich, sich auf einen Bereich zu fokussieren, indem man besonders viel Know How hat. In einem größeren Team kann man so sehr gut Hand in Hand arbeiten und sich ergänzen. Dem einen liegt die Internistik mehr, dem anderen die Chirurgie. Langweilig wird es auf jeden Fall nicht und es ist für jeden etwas dabei.

Zu guter letzt, was hat es nun mit dem Thema Einschläferung auf sich? Muss man besonders hart gesotten sein, um das überhaupt machen zu können und sich somit am Ende des Tages für den Beruf des Tierarztes zu eignen? Nein, das kann man so nicht sagen. Auch wenn es ganz ohne Frage sehr traurig ist, das Leben eines Tieres zu beenden, ist es etwas, wo man reinwächst und womit man umgehen kann. Denn wenn man diese Entscheidung getroffen hat, dann ausschließlich, weil es das Leid eines Tieres beenden soll. Natürlich ist eine Einschläferung immer ein sehr emotionales Thema und geht an uns nicht spurlos vorbei, vor allem, wenn man den Patienten schon länger kennt. Dennoch ist es gerade in diesem Moment wichtig, dass vom ersten bis letzten Schritt alles so gut abläuft, wie es nur möglich ist. Hier ist also höchste Konzentration gefragt und in dem Moment sieht man die Einschläferung als eine „Behandlung“ an, weshalb man sich emotional für den Moment etwas loslöst. Gar keine Frage, manche dieser Momente kann man nicht einfach abschütteln, aber das geht einem generell mehrfach über den Tag so und bezieht sich auch auf andere Krankheitsgeschehen. 

Insgesamt muss man aber sagen, dass sich verschiedenste glückliche, aufregende, traurige und spannende Ereignisse über den Tag oder die Woche hinweg die Waage halten.

Wer also eignet sich für den Beruf des Tierarztes und was macht den Beruf aus?

Eignen tut sich derjenige, der eine wirklich hohe Empathie für Tiere hat und ein Tierleben nicht mit einem bestimmten (finanziellen) Wert bemisst. Jedes Tier ist ein Individuum und in dem Moment das höchste Gut für uns. Wir versuchen immer im Sinne des Tieres die bestmögliche Entscheidung zu treffen. 

Nicht aber nur für Tiere muss das Herz schlagen, man sollte auch Freude am Umgang mit Menschen haben. Und natürlich sollte man eine detektivische Ader und Spaß an der Medizin haben, sodass man am Ende der bestmögliche Tierarzt werden kann. Keine Sorge, man muss nicht sofort für jede Situation gewappnet sein, Übung macht den Meister und man gewöhnt sich an alles. So vielen von uns ist am Anfang mal schwindlig oder schlecht geworden und ganz ehrlich, nur weil wir täglich die skurrilsten Situationen erleben, heisst es nicht, dass auch wir uns nicht mal ekeln. 😅

Das was den Beruf des Tierarztes sehr vielfältig macht, ist die Mischung aus dem medizinischen Part an sich, den Tieren selbst (ganz klare Sache, die Tiere sind natürlich das Bonbon an dem Job), die Aufgabe der Kommunikation mit den Besitzern und die Tatsache, dass es sich hierbei um einen Beruf handelt, bei dem es ohne Teamarbeit nicht geht. 

Autorin:

Stefanie Schmidt

Praxisleitung und Tierärztin in der Tierarztpraxis Am Wilden Mann in Dresden