Zum Hauptinhalt springen

Der Beruf Tierarzt - aus Liebe zum Tier

Zwischen Berufung und Unternehmertum

Im Grunde ist der Beruf des Tierarztes ein in der Gesellschaft sehr Angesehener. Wann immer ich danach gefragt werde, reagieren die meisten Menschen äußerst verzückt und sind ganz begeistert. „So ein schöner Beruf“ heißt es und „ich wollte auch mal Tierarzt/Tierärztin werden“. Denn Tierarzt oder Tierärztin zu sein ist nicht nur ein Beruf, sondern eine Berufung, man agiert mit leidenschaftlicher Hingabe, ist allseits bereit, ob am Wochenende, in der Nacht oder feiertags und sieht seine Leistung auch gern als Freundschaftsdienst an - denn man macht es ja schließlich aus der Liebe zum Tier. Und genau das ist der Knackpunkt: Man wird es ja wohl nicht wagen, sich an einem kranken Tier zu bereichern. Oder etwa doch? Welcher Betrag ist überhaupt angemessen bei einem Besuch beim Tierarzt und ab wann ist es Abzocke? Wie entsteht überhaupt die Idee, dass man nur das schnelle Geld machen will? 

Aus Sicht des Besitzers stellt man optimaler Weise sein krankes Tier vor, es handelt sich um eine eindeutige Diagnose mit einer guten Prognose und man ist vielleicht mit 20-30 Euro dabei. Dann ist der Kunde sehr zufrieden und empfiehlt den Tierarzt gerne weiter. Er oder sie hat schnell geholfen und günstig war es auch noch. Doch nicht immer ist diese Erwartungshaltung Realität, denn nicht alle Krankheiten sind nach einer Behandlung verschwunden und die Kosten können in die Höhe schnellen. Spätestens wenn beispielsweise ein dritter Besuch nötig wird und die Behandlung noch nicht angeschlagen hat, fallen Sätze wie: „Hier will man nur Geld machen, es geht nicht ums Tier, das ist schade!“. Schade ist es, wenn die Dinge so pauschalisiert werden.  

Was dabei häufig vergessen wird, ist, dass es sich bei aller vorhandenen Liebe für das Tier bei einer Tierarztpraxis um ein Unternehmen handelt. Ein Unternehmen, das aus betriebswirtschaftlicher Sicht handeln muss, wenn es bestehen möchte. Hierbei können die Preise jedoch nicht nach Belieben gestaltet werden, sondern unterliegen der Gebührenordnung für Tierärzte. Zugegeben, mit der Möglichkeit, den Besuch im 1- bis 3-fachen Satz abzurechnen, entsteht eine recht hohe finanzielle Spanne und vergleicht man dann noch den einen Tierarzt mit dem Anderen, ist die Verwirrung komplett. 

Daher zur Erklärung: der Gebührensatz richtet sich nach verschiedenen Faktoren, wie dem Aufwand der Behandlung (Schwierigkeit, zeitlicher Rahmen), aber auch betriebswirtschaftlichen Komponenten wie Personalaufwand, diagnostische Ausstattung, Lage der Praxis, Öffnungszeiten und optional angebotenem Nacht- und Notdienst. 

Das eher geringe Wissen und auch teils Verständnis um die anfallenden Kosten liegt sicher darin begründet, dass wir Menschen alle versichert sind, die meisten gesetzlich. Somit wird man so gut wie nie mit irgendwelchen Zahlen konfrontiert. Man geht zum Arzt und die Kosten werden von der Krankenkasse übernommen. Ganz verständlich also, dass einem erst einmal etwas schwindlig bei gewissen Beträgen werden kann. 

Damit also im Anschluss an die Behandlung (für deren Erfolg der Tierarzt übrigens nicht garantieren kann) nicht das böse Erwachen folgt, ist es ratsam, sich im Vorfeld über die geplanten Maßnahmen und Kosten aufklären zu lassen. Sollte man keinen ausreichenden Puffer hierfür zur Verfügung haben, gibt es auch für Tiere inzwischen zahlreiche Versicherungsangebote. Somit ist man auf der sicheren Seite und die Skepsis dem Tierarzt gegenüber scheint ebenfalls zu schrumpfen. Und auch für uns ist es angenehm, denn so müssen wir nicht - wie in manchen Fällen - abwägen, welche der nötigen Untersuchungen die wichtigsten sind, sodass wir ein gewisses Budget nicht übersteigen. 

 

Die Hauptsache sollte sein, dass sich Tierarzt und Tierbesitzer respektvoll gegenübertreten und gemeinsam das Beste für das Tier im Sinn haben. Kann eine Behandlung viel Geld kosten? Ja. Kann es sein, dass eine Behandlung nicht sofort anschlägt und man auf eine andere Methode umschwenken muss? Ja. Verdient der Tierarzt an diesen Behandlungen etwas? Ebenfalls ja. Denn nur so kann eine Tierarztpraxis unterhalten werden. Niemand kann von Luft und Liebe leben, was jedoch nicht heißt, dass deswegen weniger emphatisch gehandelt wird oder sinnlose Untersuchungen aufgedrängt werden.  

Das Motiv sollte nicht sein, möglichst billig und schnell zu sein, sondern individuell und situativ zu entscheiden, um auf kürzestem und stressfreistem Wege zum Ziel, nämlich der Wiederherstellung der Gesundheit, zu kommen - und damit auch zur Zufriedenheit des Besitzers! 

Autorin:

Stefanie Schmidt

Praxisleitung und Tierärztin in der Tierarztpraxis Am Wilden Mann in Dresden